Online-Texte sind schwieriger zu verstehen und weniger
glaubwürdig
Von Sebastian
Holzapfel
[02.09.2000] - Der Onlinejournalismus kämpft an vielen
Fronten: Neben skeptischen Werbekunden sind es vor allem die
Kollegen der klassischen Medien, die dem Internet als
Informationsmedium nicht viel zutrauen.
Nun scheint ein weiteres, weit wichtigeres Problem auf die
Onlinejournalisten zuzukommen: Wie eine Studie der Ohio State
University in den USA ergab, verstehen die Leser von
Onlinetexten diese schlechter als die Printversion. Doch nicht
nur das: die am Monitor gelesenen Texte wurden auch für
weniger glaubwürdig gehalten und konnten die Einstellungen der
Leser zu dem Thema weitaus weniger beeinflussen als die
Zeitungstexte.
Im Rahmen eines Versuchs wurden 131 Studenten der Ohio
State University jeweils zwei Texte aus der "Time" vorgelegt.
Zunächst mussten die Probanden Fragebögen zu den behandelten
Themen "Sterbehilfe" und "Schulintegration" ausfüllen. Danach
bekamen die Testpersonen die Texte zum Teil als
Zeitungsausschnitt, zum Teil als Text am Monitor serviert.
Nach der Rezeption der Texte wurde wiederum ein Fragebogen zu
den Texten sowie zu veränderten Einstellungen zum Thema
erhoben.
Es zeigte sich, dass der selbe Text für die Rezipienten am
Monitor schwerer zu verstehen war. Dieses Phänomen trat
unabhängig von der Computererfahrung der Nutzer auf. Auch der
Autor wurde am Monitor als weniger glaubwürdig
eingeschätzt.
Die Leiterin der Forschungen, Karen Murphy, erklärte auf
dem jährlichen Treffen der Amerikanischen Psychologischen
Gesellschaft: "Es ist möglich, dass Studenten andere
Verarbeitungsfähigkeiten erlernen müssen, wenn sie versuchen,
Computertexte zu lesen." Die Psychologin glaubt, dass Leser
von Texten Strategien entwickeln, um diese zu erinnern und zu
verstehen. Die Probanden seien jedoch nicht in der lage, diese
Strategien auf die Computertexte anzuwenden.
In Anbetracht dieser Ergebnisse sollte in Deutschland auch
die Forderung von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn noch
einmal diskutiert werden, für jeden Schüler einen Laptop
bereit zu stellen. Zumal es sich bei den Probanden im Fall
dieser Forschungen ausschließlich um höhergebildete Studenten
handelte.
Für den praktischen Onlinejournalismus zeigt sich einmal
mehr: es reicht bei weitem nicht aus, Texte aus dem
Printbereich einfach auf eine Webseite zu heben. Vielmehr ist
ein neuer, einfacher und prägnanter Journalismus gefragt, der
seine Glaubwürdigkeit erst noch unter Beweis stellen muss.
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